(11) Jahresrückblick 2019 aka kleiner Roman
- Chiara
- 19. Dez. 2019
- 16 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 6. Apr. 2020
Hätte man mir vor eineinhalb Jahren gesagt, dass ich ein Jahr in Ruanda bin, ich hätte einfach nur gelacht. Gelacht weil es so absurd klingt und doch ist es Wirklichkeit geworden. Seit dem 3. August bin ich nun hier. Schon diese kurze (je nach Interpretation auch lange) Zeit, hat mich und meine Sichtweisen verändert. Um euch noch etwas mehr von meinem Alltag hier zu zeigen, gibt es diesen Rückblick.
Vorerst möchte ich aber erwähnen, dass das alles meine eigenen Erfahrungen sind. Das heißt, es wird weder auf jeden Muzungu (Weißen) noch auf jeden Local hier zutreffen. Meine Erlebnisse mögen verallgemeinert werden können, aber das müssen und sollten sie meiner Meinung nach nicht. Wie kann ich auch für alle Weißen (Freiwilligen) in Ruanda oder überall sprechen. Aber lasst uns einfach anfangen.
WG-Leben:
In den ersten Wochen war unser Fokus erstmal das Einleben. Hier ist so vieles anders und doch gleich. Es fängt damit an, dass keiner meiner WG Mitbewohner vorher alleine gelebt hat, wir alle also von Hotel Mama in eine WG ziehen, in der wir uns selber organisieren und versorgen müssen. Zusätzlich noch der Fakt, dass wir in einem anderen Land sind, welches wir alle vorher nicht kannten. Zum Glück hatten wir immer jemanden um uns. Angefangen in der ersten Woche mit unseren Vorfreiwilligen, dann mit JP, unserem Nachbar, der uns mehr oder weniger unterstützt hatte. Zuletzt kam Job, unser ‚echter‘ Nachbar wieder aus Deutschland und seitdem gab es keine Änderungen in unserer Unterkunftskonstellation.
Die Zimmer haben wir damals ausgelost, mit der Losfee Jakob. Larissa und ich haben uns ziemlich schnell etwas anders eingerichtet, denn ich habe mir eine neue Matratze gekauft und sie hat inzwischen das kompette Zimmer umdekoriert. In der Wohnung haben wir bereits einiges umgestellt oder umsortiert, und nun auch einen kleinen Esstisch. Gut, er dient mehr als Ablagefläche, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Anfangs habe ich mich, ehrlich gesagt, ein bischen unwohl gefühlt. Die Absprachen klappten schlecht und wir brauchten einige Zeit, bis wir uns aufeinander eingestellt hatten. Denn wir kannten uns alle vorher auch nur durch die Seminare und ich glaube jeder kann sich vorstellen, dass das Zusammenleben mit ‚Fremden‘ erstmal viel Kommunikation und Teamgeist braucht.
Leider ist es ziemlich schwer, dass wir alle zusammen etwas unternehmen, da sich unsere Arbeitszeiten so unterscheiden. So sehe ich die Jungs meistens nur abends und am Wochenende.
Aber inzwischen funktioniert die WG soweit, dass alle soweit zufrieden sind.
Essen:
Vor dem Jahr habe ich mir innerlich ein Ziel gesetzt. Ich will alles probieren, nicht in meine alten deutschen Muster verfallen. ‚Das mag ich nicht‘ koplett aus meinem Wortschatz zu verbannen und lieber öfters sagen ‚das probiere ich einmal‘. So habe ich hier viele neue und auch alte Speisen kennengelernt und wiederentdeckt. Ein gutes Beispiel der Wiederentdeckungen sind Zucchini und Aubergine. Die ruandische Kultur bietet aber mehr als das. Typischerweise wird hier viel selber gekocht. Meistens gibt es Reis, Nudeln oder Kartoffeln, manchmal auch alles drei gleichzeitig. Die am häufigsten verwendeten Gemüsesorten sind Kartoffeln, Kidneybohnen, grüne Bohnen, Tomaten, Erbsen und Karotten, außerdem die Kochbanane. Diese wird meistens deftig gegessen, deswegen zähle ich sie mit zu dem Gemüse.
Fleisch gibt es hier auch zu kaufen, doch das ist mir eine Nummer zu groß. Angeboten wird Kuh, Schwein, Schaf, Ziege und seltener sogar Hase oder Buschfleisch wie Gazelle oder Büffel. Im Restaurant esse ich manchmal noch Fleisch, oder wenn wir irgendwo eingeladen sind. Doch die meiste Zeit verzichte ich hier auf dieses. Was mich auch schon zum nächsten Punkt bringt. Meine Mahlzeiten koche ich meist selber, was relativ ungewöhnlich ist. Denn hier ist das Essen gehen preislich nicht mit Europa vergleichbar. In einem ‚teuren‘ Restaurant zahlt man 5-10 Euro für einen vollwertigen Gang plus Getränk. Man kann aber auch lokal für bis zu 2 Euro in einem der kleinen Restaurants Essen gehen. Ein gutes Beispiel für ein teures Restaurant wäre La Galette, und der lokale Vertreter wäre Manasse, den wir inzwischen nur noch Muschi nennen. Dort gibt es eine Mixed plate (In Kinyarwanda: melange) mit Reis, Kartoffeln oder Nudeln, Bohnen und Isombe für 70 Cent, mit Fleisch für einen Euro.
Ich koche meistens eine Mischung aus verschiedenen Gemüsen und friere diese dann ein, sodass ich es über die Woche verteilt essen kann. Aber Essen gehen ist für meine Mitbewohner einfacher und unkomplizierter. Unser Vorteil, wir haben auch einen Ofen, indem ich Kuchen backen kann.
Das Obst ist hier auch anders als in Deutschland. Während ich absolut keine Ananas und Mango in Deutschland mochte, liebe ich es hier. Außerdem gibt es auch noch Passionsfrucht, Baumtomaten, Bananen, Papaya, Wassermelone und Orangen (Ist Avokado ein Obst oder Gemüse?).
Was man mal probieren muss, wenn man nach Ruanda kommt:
- Isombe (lookalike Spinat) ist ein Brei aus zerkleinerten Cassava/Maniok Blättern, vermischt mit Erdnüssen
- Ubugali, dafür kocht man Maniokmehl mit Wasser auf, sodass ein Teigklumpen entsteht, schmeckt pur nach nichts ist aber lecker mit Fleisch und Fleischsauce
- Capati (in Fett ausgbratene Teigfladen)
- Sambuza (fritierte Teigtaschen gefüllt mit Gemüse oder Fleisch)
- Special (von Habimana) Rührei mit Kartoffelstückchen
- Ibijumba (Süßkartoffel, die nach Esskastanien schmecken)
- Amandazi (In Fett ausgebackene Teigkugeln vergleichbar mit Quarkbällchen)
- Kochbananen, die gibt es meistens vom Grill oder gekocht in Tomatensauce
- Akabenzi (kleiner Mercedes alla gut gewürzte Schweinefleischstückchen)
- Broschette entweder aus Ziegenfleisch aber auch lecker mit Fisch, Fisch ist allgemein immer gut
- Frisches Obst (inlusive igishecye, dem Zuckerrohr)
- Gesalzene Erdnüsse sind ein super Snack
Das sind aber nur Empfehlungen, ob es dir schmeckt werden wir sehen. Es kann auch vorkommen, dass ihr am Anfang etwas Probleme mit der Verdauung bekommt, denn der Europäer ist die fett- und kohlenhydratreiche Nahrung so nicht gewöhnt, doch ich kann euch versichern, das legt sich auch wieder. Der Klischee Ruander isst zweimal am Tag, mittags und abends; ich esse 2/3 mal am Tag während der Teatime und dann entweder Mittags und abends oder nur abends.
Trinken:
Das Leitungswasser wird hier von den wenigsten getrunken. Große Marken wie Jibu oder Nil vekaufen Wasserkanister (wie man sie vielleicht aus dem Spanienurlaub kennt) mit bis zu 20 Litern Füllmenge. Dazu kann man zu deutschen Preisen Säfte kaufen, die aber leider meistens viel zu süß sind. Habe ich schon erwähnt, dass die meisten Ruanda Süße Dinge lieben? Auch in ihren Schwarztee, den sie zur Hälfte mit Milch mischen, werden mindestes noch zwei Löffel Zucker beigefügt. Aber Achtung, hier kommt wieder die Generalisierung. Eine weitere Umstellung für mich war, dass es auf der Straße ‚verboten‘ ist zu essen und zu trinken. Das liegt an den großen Einkommensunterschieden, da sich nicht jeder zum Beispiel ein Abendessen/ eine Cola leisten kann.
Sonst wird hier neben Wasser und Tee/Kaffee noch viel Alkoholisches getrunken, auch frühs sieht man manche Leute in den Bars sitzen. Neben dem beliebten Gin ‚Konyagi‘ gibt es auch eine Auswahl an Bieren. Lustigerweise werden alle, wen man das möchte in Pilsgläsern serviert. Nennenswert sind hier Amstel, Mützig, Skoll und Primus.
Ruanda ist bekannt für seinen Kaffee und seine Teeplantagen, das ist unbedingt auch ein Versuch wert. Wie erwähnt, wird beises sehr süß getrunken. In Restaurants kann man auch den typischen african tee/coffee bestellen. Normal aufgebrühter Schwarztee oder Kaffee wird mit verschiedenen Gewürzen und vor allem viel Ingwer aufgepimpt. Dieser scheckt echt lecker.
Märkte und Geld:
Schon in unserer ersten Woche waren wir auf vielen Märkten, doch zu dieser Zeit hat mich das alles ziemlich überfordert. Es ist schwierig, sich das vorzustellen. Je nach dem, zu welchem Markt man geht, gibt es spezialisierte z.b auf Essen oder Märkte, auf denen man alles kaufen kann. Der wohl größte (touristisch bekannteste) ist Kimironko Markt. Dort gibt es eine große Auswahl an Lebensmitteln und Tieren, Klamotten und Haushaltsgegenständen. Es gibt auch noch die Caplaki Craft Village, einem Ort ähnlich wie der Kimironko, an dem Touristen Handgefertigtes zum Touristenpreis kaufen können.
Zwar gibt es große Supermarktketten wie z.B. Simba oder T2000 in der Stadt, die meisten Ruanda kaufen aber alles vom Markt und verschiedenen kleinen Shops an der Straße. Dort ist die Qualität mindestens genauso gut und es ist regionaler und nachhaltiger, sein direktes Umfeld zu fördern. Wenn ich mir frische Zutaten holen möchte, gehe ich meistens hinunter zu Nyabugogo, dem Busbahnhof. Dort gibt es den Mutangana Markt, der für seine große Auswahl an frischem Obst und Gemüse bekannt ist. Sogar die Lebensmittelverkäufer vom Kimironko Markt kaufen hier ein. Für Eier oder andere Lebensmittel gibt es neben Manasse eine Straße mit kleinen Shops, die Obst und Gemüse verkaufen. Die schon verarbeiteten Lebensmittel gibt es fast alle bei Mama Gamza, dort kaufen wir auch unsere Wassertanks. Sozusagen gibt es alles für den täglichen Gebrauch bei uns um die Ecke, für Extras fahren wir in die Stadt oder auf den großen Markt.
Während in den großen Supermärkten nach europäischem Prinzip gehandelt wird, sprich es gibt einen Preis, der bezahlt wird, kann man in den kleineren Shops oder auf dem Markt handeln. Manchmal muss man das sogar, da sie aufgrund meiner Hautfarbe manchmal einen höheren Preis verlangen. Langsam kann ich aber einschätzen, was ein vernünftiger Preis ist und auf Kinyaruanda verhandeln. Das Problem in diesem Fall ist, dass viele Amerikaner nach Ruanda kommen. Hört sich erstmal nach keinem großen Problem an. Aber sie verhanden garnicht, das heißt, sie zahlen den Preis, den die Verkäufer verlangen (Achtung, Generalisierung). Da ist es natürlich verständich, dass manche am Anfang einen hohen Preis vorschlagen.
Auch ist es üblich, sich seine Klamotten von einem Schneider schneidern zu lassen, das kostet etwa 5 Euro pro Stück plus die Kosten des Stoffs. Das ist nicht vergleichbar mit den Preisen für einen deutschen Schneider. Inzwischen habe ich mir schon zwei Kleider schneidern lassen und werde mir im nächsten Jahr auf jeden Fall noch neue Kleidungsstücke fertigen lassen.
Die Währung war auch eine Umstellung am Anfang. Der Wechselkurs ist noch relativ einfach, da ungefähr 1000 RWF einem Euro entsprechen. Mit den Scheinen zu Haushalten ist da schon schwerer. Es gibt einen 5000, 2000, 1000 und 500 Schein und dazu Münzen der Werte 50 oder 100. Und das war es schon. Aus dem Geldautomaten bekommt man nur 5000er Scheine, doch mit ihnen kann man nicht überall bezahlen. Viele Motofahrer oder Verkäufer haben dafür nicht genügend Wechselgeld. So ist es ratsam, große Scheine bei jeder Gelegenheit klein zu machen.
Klima und Landschaft:
Ruanda liegt etwa 3 Grad südlich des Äquators und hat deshalb eher tropisch geprägtes Klima. Jahresdurschnittswerte von etwa 20 bis 25 Grad sind hier an der Tagesordnung. Trotzdem gibt es Regenzeiten, in denen ist es vergleichweise kälter und regnet häufiger, auch mehrmals am Tag. In den Trockenzeiten wird es auch gut mal 30 Grad warm und ziemlich heiß, da die Zenitsonne ohne eine einzige Wolke am Himmel scheint.
Mit dem Regen ist es eine komplizierte Sache. Laut Geschichtsbuch herrscht hier tropisches Klima, also Regen jeden Nachmittag. Doch es kann auch vorkommen, dass es den ganzen Tag durchregnet, eine Woche lang garnicht regnet und all diese veschiedenen Möglichkeiten. Meistes ist er vorhersehbar, da der ganze Himmel erst von riesigen weißen und dann dunklen Wolken bedeckt ist. Typischerweise regnet es dann eine gute halbe Stunde, dann ist der Spaß vorbei. Allgemein wird immer gesagt, es gibt eine kleine Regenzeit im Herbst (Oktober/November) und eine große, die etwa von Februar bis Mai andauert. Durch den Kliawandel schwankt dieses System aber ziemlich und ist nicht mehr stabil; der Regen kommt und geht, wie er will.
In diesem Klima fühlen sich auch Mücken besonders wohl. Trotz meiner Vorsorge durch das Mückennetz und Mückenspray (ich nehme keine Prophylaxe) werden wir häufig zerstochen. Es wird zwar gesagt, dass es hier kein Malaria gibt, aber man sollte sich darauf auch nicht zu 100% verlassen und Vorsicht ist geboten. Falls es dennoch passieren sollte, sind die Ärzte und Krankenhäuse bestens darauf vorbereitet, vergleichbar wie in Deutschland mit einer Grippe. Die hohen Sterberaten an Malaria gibt es, vermute ich, weil viele Menschen die Krankheit unterschätzen oder es sich nicht leisten können zu einem Arzt zu gehen und die Medikamente zu kaufen.
Zur Landschaft lässt sich nur eins sagen: Wunderschön! Nicht umsonst wird Ruanda auch das Land der 1000 Hügel genannt. Alles ist grün und jede 100 Meter sieht es anders aus. Mit dem Kivusee im Westen, den Vulkanen mit den Gorillas im Norden, dem Akagera Nationnalpark im Osten und dem Nyungwe Forest im Süden, und natürlich mit dr Hauptstadt Kigali in der Mitte. Überall gibt es viel zu sehen. Das Land hat auch viele kleinere Seen und Flüsse. Wenn man eine der großen Straßen entlang fährt, sieht man neben vielen Häusern und Tieren auch viele Felder. Auf ihnen wird z.B. Reis, Kartoffeln, Zuckerrohr, Bananen oder Tee angebaut.
Arbeitsalltag:
Nach einer gewissen Zeit habe ich mich auch in den Arbeitsalltag der Jumelage eingefunden. Die Arbeit beginnt um 7.30 und endet um 17 Uhr. Um 10 Uhr gibt es die so genannte Tea-Time, eine Viertelstunde Pause, in der es Kaffee, Tee und eine Kleinigkeit zum Essen gibt. Ich glaube, diese Pause ist nicht nur bei den Mitarbeitern sondern auch bei uns Freiwilligen beliebt. Mittagspause ist von 12.30 bis 14 Uhr, wobei die Zeiten von einer afrikanischen Uhr gelesen werden können (african time).
Ich bin hier Freiwillige primär für das Schul- und Sport & Jugend Department. Für das Schuldepartment schreiben und übersetzen wir Anträge der verschiedenen Partner und schicken diese dann nach Mainz oder zu den Schulen. Eine andere Aufgabe ist das Entwickeln von verschiedenen Konzepten für einen verbesserten Austausch zwischen den Partnerschulen.
Im Sport- und Jugenddepartment haben wir den Sports 4 Peace Workshop mitorganisiert. Auch durch dieses Department fand der Rheinland-Pfalz Tag statt, den ich zusammen mit Jean Marie organisiert hatte. Zusätzlich finden mit diesem Department die Seminare statt, zum Beispiel neulich das für die Süd-Nord Freiwilligen.
Über diese beiden Abteilungen hinaus, arbeite ich manchmal für Aline (Wirtschaftsabteilung) und immer öfter für das Construction Büro. Dort übersetze und schreibe ich auch Projektanträge und Reports, habe aber zusammen mit Prince eine Evaluation von 16 TVET Schulen dieses Jahr gestartet. Das Projekt haben wir für dieses Jahr sehr zufriedenstellend abgeschlossen und im Februar wird es erneut beginnen.
Die Jumelage ist mir inzwischen richtig ans Herz gewachsen. Das kleine Büro, die fast familiäre Atmosphäre und einfach alles. Doch der Kigali City Plan ist gegen uns. Dieser sieht nämlich vor, in der Innenstadt mehr Platz für Hochhäuser/Bürogebäude zu schaffen. Dabei soll auch Rücksicht auf historische Gebäude genommen werden, aber anscheinend ist das von den deutschen geplante und schließlich von den Belgiern gebaute Bürogebäude der Jumelage nicht historisch genug. Deshalb müssen wir Anfang nächsten Jahres umziehen. Das neue Büro ist dann in Kacyiro, weiter weg und kompakter, in einem zweistöckigen Haus. Die Struktur mit den einzelnen kleinen Büros werden wir verlieren. Doch ich bin total gespannt, was uns dort Neues erwartet.
Die meisten meiner Kollegen sind in der Zeit inzwischen zu Freunden geworden und wir machen auch außerhalb der Arbeitszeiten Dinge zusammen.
Sport:
Das mit dem Sport ist so eine Sache. Wir kommen von einer Sportorganisation, die wirbt ein sportliches freiwilliges Jahr zu machen. Doch im Büro haben wir außer mit dem seltenen organisieren von Sportevents nicht viel mit Sport(unterricht) zu tun. Im nächsten Jahr wollen wir/ will ich das etwas mehr in Angriff nehmen und auch versuchen, an Schulen zu fahren um mit den Kindern Sport machen zu können. Außerhalb der Arbeitszeiten wäre Zeit für Sport, doch das ist schwierig. Morges gehen die Kinder alle zur Schule und abends sind sie meist nur noch am bolzen und dann wird es auch zieich bald zu dunkel, um außen Sport zu machen. Dadurch, dass wir keine eigene Sportstruktur in unserem Projekt haben, müssen wir, wenn wir etwas aufbauen wollen, komplett von 0 anfangen. Vielleicht ist es auch deshalb so schwer für uns. Im letzten Monat ging bei mir aber einiges voran.
Mithilfe der Jumelage konnte ich alte Inliner von mir nach Ruanda bringen und auch Kontakte zu einer Skatergruppe vom Maseun de Jenes finden. Mit ihnen möchte ich auch im nächsten Jahr intensiver zusammenarbeiten und trainieren. Die Gruppe trainiert Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag, wobei sie sich eher auf den Einzelnen konzentrieren und nicht als Gruppe/Team funktionieren. In den letzten Trainingstagen habe ich angefangen, ihnen ein bisschen mein Training in Deutschland näherzubringen. Wir haben mit dem Kreuzen angefangen und auch kleine Spiele gespielt. Das große Problem hierbei sind die Materialien und die Kinder. Es ist schwer, eine feste Gruppe zu formen, da es nicht genügend Skates für die Kinder gibt. Viele schauen dann einfach nur zu. Zudem ist nicht jeder immer da, also ist es schwierig, neue Dinge zu erklären, da man jedes Training von vorne anfangen müsste. Ich bin aber zuversichtlich und hoffe, dass das alles nächstes Jahr seinen Lauf nehmen wird.
Inzwischen habe ich das Gefühl, ich bin vollständig angekommen und kann solche Projekte in die Hand nehmen und starten. Für nächstes Jahr wünsche ich mir auf jeden Fall mehr Sport, vielleicht sogar ein Fahrrad, mit dem ich am Car-free Sunday unterwegs sein kann. Das bringt mich zum nächsten Punkt. Wenn ich Sport mache ist das meistens jeden zweiten Sonntag auf der Straße. Denn dann sind die großen Straßen von 7 bis ca. 10 Uhr gesperrt, und jeder kann dort Sport machen. Zu dieser Zeit sieht man dann viele Läufer, Radfahrer und auch einige Inliner Fahrer.
Es ist auch möglich, den Weg zur Arbeit zu laufen. Dieser ist zwar kilometermäßig nicht sehr weit, geht aber die ganze Zeit bergauf und ist deswegen richtig anstregend. Wenn die Office umzieht wird es diese Option auf jeden Fall nichtmehr geben, doch ein lieber Arbeitskollege hat mir schon angeboten, mich dann immer abholen zu können.
Fortbewegungsmittel:
Sofern es nicht die Füße sind, ist man meistes motorisiert unterwegs. Aber ich beginne von vorne. Laufen ist eine gute Alternative, allerdings kommt es schon auf die Gegend und die Tageszeit an. Zum Beispiel in der Nacht in der Nähe von vielen Bars und Betrunkenen zu laufen, aber das st genauso in Deutschland. Man muss einfach wissen, wo man sich wohlfühlt und auch immer auf sein Bauchgefühl hören, denn das hat meistens Recht. Und es muss die bewusst sein, dass es anstrengend ist, der Weg geht entweder bergauf oder bergab, selten mal ohne Steigung. Dann gibt es die Möglichkeit, sich mit den Skates fortzubewegen. Das mache ich aber meistens nur auf dem Sportplatz, aber vielleicht werden wir nächstes Jahr auch gemeinsam an einem Car-free Sunday die großen Straßen hinunterfahren.
Das nächstgrößere Verkehrsmittel ist das Fahrrad. Hier gibt es neben den ganz normalen Rennrädern oder Mountainbikes auch die so genannten Fahrradtaxis. Für meistens einen sehr kleinen Geldbetrag setzt man sich auf den gepolsterten Gepäckträger und wird gefahren. Diese gibt es meistens nur auf relativ ebenen Straßenabschnitten und leider immer nur auf den großen Straßen. Dort fahren auch die großen LKWs und es kann vorkommen, dass das Fahrrad einfach übersehen wird. Unfälle passieren leider relativ oft.
Eine andere, von mir sehr häufig genutzte Variant ist das Moto. Eine 125er Maschine mit einem Fahrer, bringt dich überall hin. Sie fahren auf Teerstraßen und Dirtroads, drängeln im Straßenvehr und fahren meist relativ rücksichtslos. Trotzdem ist es eine schnelle, sichere? und auch kostensparende Möglichkeit. Zumindest kann ich inzwischen besser auf einer Fahrt kommunizieren. Ganz wichtig ist dabei das langsamer (buhoro) und die Navigation. Jeder Motofahrer hat einen zweiten Helm, der auch bei der Fahrt aufgezogen werden muss. Hier in Ruanda herrscht nämlich Helmpflicht und auch das Verbot, mehr als eine Person auf seinem Moto zu transportieren. Zurück zur Navigation, mit Straßennamen braucht man es garnnicht zu versuchen, die kennt hier kaum jemand. Meistens sagt man die Zelle oder ein großes/bekantes Gebäude in der Nähe. Auf dem Weg muss man dann den Fahrer meistens navigieren, um am Ziel anzukommen, google maps ist da nur manchmal hilfreich, da zahlt sich ein guter Orientierungssinn aus.
Nächste Möglichkeit ist das Auto bzw. das Taxi. Immer wenn wir auf einen Fieldtrip fahren, sind wir mit dem Auto unterwegs, sonst sitze ich relativ selten darin. Mit dem Auto, aber allgemein immer, muss man im Straßenverkehr gut aufpassen. Auf die großen und auf die kleinen Verkehrsteilnehmer, auf Tiere und Kinder, eigentlich auf alles. Deswegen bin ich bisher auch noch nicht selber gefahren, obwohl ich einen Führerschein hätte, aber das ist mir einfach zu gefährlich.
Neben den vorhin schon erwähnten LWks, die aber meistens nur Waren und keine Menschen transportieren, ist das letzte Verkehrsmittel der Bus. Diese gibt es in verschiedenen Ausführungen; kleine ca. 20 Sitzer oder große Busse, vergleichbar mit den deutschen Nahverkehrbussen. Um mit einem der Busse in er Stadt zu fahren braucht man eine Tap&go Karte. Diese kostet einmalig 500RWF und danach läd man sie immer wieder mit Geld auf. Beim Einsteigen in den Bus ‚tapt‘ man dann und es wird immer ein Fixbetrag von der Karte abgezogen, egal wie lange man mit dem Bus fährt. Wenn man umsteigt wiederholt sich das ganze dann und es wird wieder ein fester Betrag abgezogen.
Die Busse werden hier zu den Stoßzeiten von vielen Menschen benutzt, wohl auch weil der Fixpreis pro Busfahrt nie über 300 RWF hinaus geht. Das einzige Problem dabei, es gibt keinen Fahrplan. Der Bus hat zwar feste Haltestellen, die er anfährt, doch bis man weiß, welche Nummer an deinen gewünschten Zielort fährt, dauert es etwas. Ein anderer Punkt sind die Abfahrtszeiten, die nicht festgelegt sind. Das heißt wiederum an der Haltestelle stehen, warten und hoffen, dass deine Linie kommt und auch noch einen Platz frei hat. Für 2020 nehme ich mir auf jeden Fall auch vor, mehr Bus zu fahren.
Freunde/Locals:
Die ersten Wochen wurden uns so viele neue Gesichter vorgestellt, wenn ich ehrlich bin, war ich schon sehr überfordert. In unserem Haus war eigentlich dauerhaft Besuch, den wir meistens kaum kannten. Domy, unser Projektmanager, hat uns viele Leute vorgestellt, auch von Esperance, dem Fußballprojekt der Jungs. Mittlerweile hat sich das alles eingependelt, und wir haben auch eigene Kontakte hier gefunden und teilweise einfach die alten Freunde der Vorfreiwilligen übernommen.
Die meisten Menschen sind hier echt offen und freundlich zu uns Freiwilligen (Weißen), aber wir wurden gewarnt, in der ersten Zeit aufzupassen. Nicht jeder ist wirklich so herzlich, sondern will dich vielleicht einfach auch nur ausnutzen. Das haben die alten Freiwilligen erählt. Hier ist es üblich, bei Freunden nach Geld zu fragen. Wenn man dann aber weiß, dass man das wahrscheinlich nie wieder sehen wird und ausgenutzt wird, ist das eine andere Geschichte. Außerdem ist es mir wichtig, mich selber nicht in einem kolonialen Muster zu sehen. Das meine ich nach dem Motto: Ich bin die große, tolle Weiße, die hierher kommt und den armen Afrikanern hilft; ich bin so toll und alle anderen hier sind nichts. Aber das ist meiner Meinung nach ein ganz falscher Ansatz, ich möchte mich nicht über die lokale Bevölkerung stellen, sondern ein Teil von ihr werden.
Die Offenheit hat auch Vorteile, denn so kann man ein Netzwerk aufbauen. Und die Kontakte, die ich knüpfe mögen nicht für immer halten, aber sie haben mir geholfen, Anschluss zu finden. Aber ich habe auch schon Freundschaften geschlossen, die hoffentlich auch über das Jahr hinaus bestehen werden.
Und dann gibt es auch noch die anderen Freiwilligen, die überall in Ruanda verteilt sind. Auf der Botschaftsparty oder auf offiziellen Empfängen habe ich einige kennengelernt. Und mit den Freiwilligen, die direkt aus Kigali kommen haben wir ziemlich viel Kontakt und unternehmen zum Beispiel am Wochenende etwas zusammen. Das fühlt sich dann an wie ein Stück Heimat, einfach Deutsch zu reden mit jemandem, der ähnliche Sorgen/Probleme hat. Aber soviel zu diesem Thema.
Kultur und Sprache:
Über die Kultur habe ich schon oft in meinen Blogeinträgen geschrieben, aber auch dieses Thema ist schwierig. Was ist schon Kultur und immer diese Verallgemeinerungen. Trotzdem möchte ich gerne vermitteln, wie es sich anfühlt, sich in einem neuen Umfeld zurechtzufinden, mit anderen Normen und Regeln, anderen Standarts. Ich habe über Fettnäpfchen erzählt, über Unterschiede und auch Gemeinsamkeiten.
Mein besonderes Interesse lag und liegt immernoch darin, die Kultur zu verstehen. Wie sieht ein Alltag hier aus und warum sind manche Dinge so wie sie sind. Ein gutes Beispiel, was ich hier anführen kann sind die Häuser. Fährt man aufs Land, sieht man fast ausschließlich Lehmhütten. Jemand, der darüber nicht reflektiert und nicht neugierig ist würde vielleicht denken: Ja klar, Afrika, die sind alle arm da und können sich deswegen keine gute Unterkunft leisten. Doch wenn man neugierig ist wird man erfahren, dass diese Häuser so viele Vorteile gegenüber der westlichen Bauweise in den Tropen haben. Durch die Dämmung des organischen Materials bleibt die Hitze außen, wenn es doch einmal kalt wird, heizt sich der Raum schnell auf und speichert die Wärme sehr gut. Im Lehm findet sich durch gewisse Pflanzenreste auch ein natürlicher Moskitoschutz. Das ist die traditioelle und altbewährte Weise, Häusr zu bauen.
Aber das ist alles eine Frage der Einstellung, ich finde es liegt in meiner Verantwortung. Da ich mih hier ein Jahr als Gast befinde, fühle ich mich verpflichtet, mich so gut es geht über die Lebensweisen zu informieren.
In Ruanda gibt es drei vorherrschende Sprachen. Französisch, als Überbleibsel der belgischen Kolonie, Engisch als (neue) Weltsprache und die lokale Sprache Kinyarwanda. Seit Mitte September hatten wir einen Sprachkurs, der zweieinhalb Monate lang dauerte. Anfangs fande ich es sehr schwer, mich in die neue Sprache einzufinden. Mittlerweile finde ich es toll, und versuche jeden Tag etwas neues zu lernen und auch zu vertiefen. Ich muss aber leider sagen, dass die Grammatik nicht unbedingt einer unserer Freunde ist. Alleine gibt es 16 verschiedene Nomenklassen, und der ganze Satz ist auf das Nomen ausgerichtet. Das heißt die Adjektive und Verben werden nach dem Nomen und der zugehörigen Klasse dekliniert und konjungiert. Ein anderes Problem, alle Verben beginnen it gu- bzw. ku und haben je nach Kontext bzw. Aussprache eine andere Bedeutung. Für das Jahr 2020, auch weil der Sprachkurs nun zu Ende ist, will ich auf jeden Fall versuchen, meine Wortschatz zu erweitern.
Wenn ihr bis hierhin gelesen habt, bin ich stolz auf euch. Eigentlich war ein kleiner Rückblich angedacht, doch irgendwie hatte ich so viel zu erzählen und auch jetzt könnte ich so viel mehr schreiben. Das sehe ich aber als unsinnvoll an, da dieser Eintrag schon ewig lange ist. Ich wünsche euch allen auf jeden Fall fröhliche Weinachten und einen guten Start ins neue Jahr 2020.
Nö, is mir zu lang ums zu lesen