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(18) Corona - und was nun?

Ihr wollt alle sicherlich auf den neusten Stand kommen (der jetzt auch nicht mehr so neu ist ups) und deswegen folgt dieser Blogeintrag später als geplant, aber besser später als nie.

Montag, nachdem am Wochenende der erste Corona Fall in Ruanda bekannt wurde, gingen wir normal zur Arbeit, doch dort war nichts mehr normal.

Das Monday Morning Meeting, welches sonst immer im „La Reunion“ Raum stattgefunden hatte, wurde nach draußen verlagert. Die Stühle wurden in einem Stuhlkreis aufgestellt, mit mindestens geschätzt einem Meter Sicherheitsabstand dazwischen.

Dann wurden die wichtigsten Dinge besprochen, natürlich drehte sich das Meiste um Corona und wie die Office damit umgeht.

Es wurde beschlossen, alle Mitarbeiter ins Home Office zu schicken. Die, die noch Urlaub vom Jahr 2019 übrig hatten, sollten sich diesen nehmen, die anderen von Zuhause aus arbeiten. Das Problem, viele haben keinen Laptop oder kein Internet. Außerdem gibt es ein Problem mit Daten zu arbeiten, die nur auf dem Server zu finden sind. Soweit, so gut.

Lösungen wurden gefunden, es wurde einiges diskutiert doch am Ende konnte sich jeder mit dieser noch nie dagewesenen Situation anfreunden.

Danach sah ich alle Mitarbeiter emsig in ihren Büros Zettel zusammenpacken, Daten auf ihre USB-Sticks ziehen. Es herrschte Trubel und trotzdem war jeder für sich im Büro, die Abstandsregelung wurde immer gewahrt.

Für uns Freiwillige war klar, diese Situation ist besonders. Unsere Chefin Katja meinte, sie würde uns gerne wieder in Deutschland sehen. Wenn das nicht schnell möglich ist, sollen wir auf das Jumelage Gelände umziehen, da so die Ansteckungsgefahr auf ein Minimum reduziert werden könne.

Eine Email von meiner Organisation kam, in der bekannt wurde, dass das BMZ und die Koordinationsstelle Weltwärts über die Lage diskutieren. Es sollten wichtige Handlungsfragen geklärt werden, wie mit der Situation umzugehen ist. Besuch, der aus Deutschland kommen sollte, sollte abgesagt werden und wir wurden angehalten, die Richtlinien unseres Landes zu befolgen, wenn es um Sauberkeit/ Hygiene und Abstandsregelungen geht. Am Abend stand dann fest, dass alle WWFW zurück nach Deutschland geschickt werden.

Wir verabschiedeten uns von allen Kollegen, wobei wir die Abstandsregelungen einhielten :(, es war ein Abschied auf längere Zeit aber ungewiss wielange.

Wir Freiwilligen waren ziemlich überrumpelt. Am Wochenende war noch alles gut (Samstag) und ab Sonntag gab es die ersten strengeren Maßnahmen um das Virus einzudämmen. Um dann am Montag zu erfahren, dass wir so schnell wie möglich wieder nach Deutschland zurück müssen. Das hat uns alle ziemlich überfordert und wir wussten nicht, wie wir mit dieser Situation umgehen sollen.

Die erste Emotion, die ich fühlte, ich war sauer. Warum sollte ich nach Deutschland fliegen, wobei es hier in Ruanda doch merklich sicherer war (weniger Fälle). Und warum wird diese Entscheidung über meinen Kopf hinweg getroffen, und egal wie gut ich mich inzwischen eingelebt habe, wie gut es mir gefällt, ich muss gehen. Dann mischte sich unter das Gefühl auch Verzweiflung. Was sollte ich denn in Deutschland, breche ich mit meinem verfrühten Rückflug das Jahr ab. Das was uns alle am Meisten beschäftigt hatte: ich habe noch nicht alles gesehen und gemacht, was ich unbedingt machen wollte.

Bei mir war das einerseits der Besuch von Familie und Freunden; ich wollte ihnen das Land und die Lebensweise, mein Leben der letzten 7 Monate zeigen. Andererseits die ganzen Ausflüge, die ich noch unternehmen wollte, seien es Reisen in andere Länder, das Besteigen der Vulkane, Wanderungen oder einfach ein Wochenende am Kivusee zu verbringen. Es gab und gibt dementsprechend immer noch so viele Punkte auf meiner imaginären Liste, die ich gerne abarbeiten wollte, gesehen haben wollte, bevor ich Ruanda planmäßig im August verlassen würde.

In der Arbeit kam Tobias, der zweite Freiwillige von Volunta mit Datteln und Cashew-Nüssen vorbei. Den Tag verbrachte ich mit Emails schreiben, und als ich damit fertig war, lenkte ich mich ab, indem ich Minesweeper spielte. Larissa weinte und wollte es absolut nicht wahrhaben, dass wir gehen bzw. auf das Geländer der Jumelage ziehen sollten.

Da ab Dienstag keine Arbeit mehr war, und wir auch zuhause bleiben sollten, bis wir weitere Informationen erhalten würden, überlegten wir uns, einen Sack Reis und Bohnen zu kaufen. Dadurch hätten wir wenigstens etwas im Haus zum Essen. Für wie lange die Quarantäne andauern würde, und wie viel strenger die Ausgangsbeschränkungen und das Kontaktverbot noch werden würden, wussten wir alle nicht. Alles, was wir über die Jumelage mitbekamen wurde von der deutschen Botschaft kommuniziert.

Diese fing auch an, Emails an alle, die sich auf der Elefand Liste eingetragen hatten, zu kontaktieren und sie über die wichtigsten Neuerungen und Änderungen zu informieren. Das ist echt wichtig, dass falls Fälle wie diese Eintreten, die Botschaft Bescheid weiß, dass ihr im Land seid.

Da wir alle so benommen waren, kochte Job für uns, und Hanna half ihm dabei. Es gab ein typisches ruandisches Gericht mit Kochbananen. Hanna sollte eigentlich in einer Woche Montag fliegen, versuchte dann aber alles, um ihren Flug aufgrund der Lage zu verschieben. Letztendlich flog sie Mittwoch Abend.

Von Katja bekamen wir die Anweisung, schon am Montag Abend alles zu Packen, dabei aber ein „wichtiges“ und ein „unwichtiges“ Gepäckstück zu packen, denn es könnte sein, dass wir nur mit 23 kg zurückfliegen können. Das überforderte mich zusätzlich, was ist wichtig außer mir als Person, meinem Laptop, Kamera und andere Techniksachen? Klamotten hatte ich noch genügend in Deutschland, aber irgendwie musste ich ja 23 bzw. 20 kg in meinen Koffer packen.

Die Nacht schlief ich komplett nicht, obwohl ich so gegen 2 Uhr mit dem Packen so einigermaßen fertig war. Ich dachte darüber nach, was da gerade passiert ist und wie nur ein Tag die ganze Laune und Einstellung herunterziehen kann. Meine meist gestellte Frage, wie geht es jetzt weiter, konnte mir natürlich niemand beantworten, da es niemand wusste. Diese Situation ist und war so einzigartig, und unvergleichbar.

Um 5 Uhr fuhren wir deswegen zum Sonnenaufgang, den wir leider verpassten, da wir uns die falsche Stelle ausgesucht hatten, es war aber trotzdem eine schöne gemeinsame Unternehmung.

Am Dienstag ging ich früh zu Christine, um mich von ihr zu verabschieden. Pünktlich kam ich zur Teatime, so gab es dort Chapati und Bananen und natürlich Tee. Später gingen Larissa und ich einkaufen, um unseren Familien wenigstens Tee und Kaffee zu besorgen. Nach dem Simba gingen wir zum T2000. Was ich schön fande, überall musste man sich, bevor das Gebäude betreten werden konnte, die Hände gewaschen werden. Im T2000 dann die Überraschung, jeder, der an den Sicherheitsleuten vorbeiging musste ein Stück rohe Zwiebel essen. Die waren einkaufswagenweise im ganzen Laden und das verwirrte mich sehr. Angeblich sollte das Helfen, kein Corona zu bekommen. Dies war einer der seltenen Fälle, in dem ich es ausnutzte Weiß zu sein, und den Sicherheitsleuten freundlich-bestimmt zu sagen „nein, danke“ um danach ohne ein Stück rohe Zwiebel gegessen zu haben den Laden betrat.

Diese Methode war mir einfach zu abwegig und nicht fundiert genug. Mitten im Einkaufen bekamen wir einen Anruf von Katja, wir sollen so schnell wie möglich zur Jumelage kommen.

Nachdem auch Franka und Tobias eingetroffen waren, erklärte sie uns, für die beiden Volunta Freiwilligen konnten sie Tickets für Freitag buchen, das hieß die ganze ASC WG kann auf den Jumelage Compound umziehen, denn für uns stand noch nichts fest.

Dienstag früh bekamen wir außerdem eine ausführliche Email vom ASC, in der die Lage geschildert wird, und die letztendlich zu dem Schluss führt, uns Freiwillige zurückzuholen wegen Gründen A bis Z. Vor allem in den RUTS-Ländern (Ruanda, Uganda, Tansania und Sambia) ist die Krankenversorgung nicht auf einem deutschen Standard und flächendeckend nicht immer gewährleistet. Auch wurden die ersten Fälle von Gewalt und Anschuldigungen gegenüber uns Muzungus (Weißen) gemeldet. Das Virus wurde ja von Weißen auf den Kontinent gebracht, und man sah uns als mögliche Sündenböcke. Die Größte Sorge, unsere Sicherheit könne durch Gründe A bis Z nicht gewährleistet werden. Was letztendlich auch stimmt, doch zum damaligen Zeitpunkt war es schwer für mich, das zu begreifen. Ich habe nie persönlich solche Anfeindungen erlebt (was aber durchaus auch in Ruanda passieren kann, mich persönlich hat es nur nie getroffen) und konnte mir schlecht vorstellen, dass meine Mitmenschen mir etwas antun könnten.

In der Mail wurde auch klar, dass sie am Buchen der Flüge für alle Freiwilligen sind. Eine Überlegung: Jedes Jahr werden ungefähr laut Weltwärts 3500 Freiwillige vor allem in Länder des Globalen Südens geschickt. Sie alle müssen jetzt irgendwie zurück, wobei schon viele Länder angefangen haben, die Grenzen komplett zu schließen und auch den Flugverkehr einzustellen.

Zudem kommen noch Touristen, Arbeitende und viele mehr, sodass die wenigen Flüge, die es noch gab, total ausgelastet waren.

Die Deutsche Botschaft empfahl allen Deutschen, die sich im Lande befinden, auszureisen und gab Updates zu den Flügen.

Am 18.03 bekamen wir unsere Flugtickets, die auf den 20.03 um 1.55 Uhr nachts datiert waren. Das war auch der Tag, an dem ich online auf dem Kimironko Markt einkaufen war. Ich kannte einen Verkäufer von dort, dem ich schrieb was ich kaufen wollte. Nachdem er mir gefühlt 100 verschiedene Bilder geschickt hatte, einigten wir und auf einen Preis und ließen ein Moto nach Kimisagara fahren, sodass ich meine Bestellung abholen konnte.

Am Donnerstag traf ich mich noch mit Janvier zum Essen im Camellia, bei dem wir beide echt mit den Tränen kämpfen mussten. Eine Ära von gemeinsamen Fieldtrips, Mittagessen und und und endete viel zu früh. Gegen Abend kam Allen vorbei, und ich gab ihm einige Klamotten und Zeug, das nicht mehr in mein Gepäck packte und er bot an, das bei sich zu lagern.

Die Zeit in Ruanda endete mit einem letzten Special von Habimana zum Abendessen, bevor wir dann von der Jumelage zum Flughafen gefahren wurden.

Der Zeitraum von Montag bis Donnerstag klingt jetzt ziemlich nüchtern und objektiv beschrieben. Was aber in und allen, besonders in mir vorging, lässt sich schlecht niederschreiben. Ich fühlte alles auf einmal, dann wieder nichts und es war alles komisch. Ja ich glaube das Wort beschreibt es am Besten, komisch. Die Gefühle zu beschreiben, würde alles noch wirrer und unverständlicher machen.

Kurz und knapp, wir vier konnten einchecken und waren im Flieger. Dieser machte erste einen Stopp in Entebbe und flog dann nach Istanbul weiter. Von dort ging es mit einer anderen Maschine nach Frankfurt. Und in Entebbe begannen die Probleme. Nachdem wir losgeflogen waren, änderte Uganda die Einreisebestimmungen, sodass nur noch Ugander mit Reisepass, der zeigte, dass ihre Nationalität Ugandisch ist, einreisen konnten. Viele im Flugzeug wollten jedoch in Entebbe nur umsteigen und von dort ein anderes Flugzeug nehmen. Das war alles verboten, ihnen wurde nicht gestattet das Flugzeug zu verlassen. Auf die wenigen Plätze, die dadurch nur freiwurden, wurden ausgewählte Reisende geschickt. Da die eigentlich ausgestiegenen Personen sich immer noch im Flugzeug befanden, konnten auf ihren Plätzen keine neuen Passagiere sitzen. Eine Frau aus Amerika kam ins Flugzeug auf den Platz hinter mir und sie meinte es wurden einfach (willkürlich?) Personen ausgewählt, die ihren gebuchten und bezahlten Flug antreten konnten.

Das brachte viele Personen in Rage, sowohl im, um und außerhalb des Flugzeugs. Es kam fast zu Handgreiflichkeiten, und so kostete und der ganze Stopp nicht wie geplant eine sondern gleich gute drei Stunden. In Istanbul angekommen hatten wir demnach natürlich unseren Anschlussflug verpasst. Zum Glück gab es einen Ersatzflug, denn eigentlich hatte die Türkei ihre Grenzen nach Europa schon vor gut einer Woche geschlossen, und auch der Flughafen in Frankfurt wusste nicht, dass eine Personenmaschine aus Istanbul am besagten Tag kommen sollte.

Das alles machte es bis zuletzt spannend, doch letztendlich schafften wir es völlig geschafft nach Frankfurt. Dort wurden wir empfangen von unseren Familien uns seitdem gingen wir getrennte Wege. Jeder fuhr nach Hause und es begann die Zeit, das Erlebte zu verdauen. Das kann auch wörtlich genommen werden, da ich Maracuja und Baumtomaten aus Ruanda mitbrachte.

Heute ist Tag 17 meiner Quarantäne, bzw. Tag 17 in Deutschland. Alles war wieder anders, ein richtiger Kulturschock, aber das ist eine andere Geschichte, die ich in einem anderen Blogeintrag behandeln werde. Nur für euch, ich bin gut in Deutschland am 20.03 angekommen und habe mich inzwischen wieder eingelebt und an die Ausgangsbeschränkungen angepasst.

Einen Eintrag werde ich auf jeden Fall noch verfassen, aber danach wird es wohl hier ruhigere werden, da es aus Ruanda nichts wirklich mehr zu berichten gibt.

Bleibt alle gesund!

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