top of page
Suche
  • AutorenbildChiara

(06) Endlich Umugabo und Umugore (Endlich Mann und Frau)

Aktualisiert: 6. Apr. 2020

Zwei Wochen sind schon wieder vergangen und ich bin schon gut zweieinhalb Monate in Ruanda, heute genau 77 Tage. Wenn ich überlege sind das schon gut 20% und es ist irgendwie echt erschreckend, wie schnell die Zeit vorbeifliegt.

Jedenfalls sitze ich gerade im Wohnzimmer an unserem Tisch und schreibe diesen Blogeintrag. Doch ich beginne wie immer von vorne:

Die im letzten Blogeintrag angesprochene Taufe feierte wir mit James. Er ist ein Co-Trainer, der in Esperance mithilft und mit den Jungs zusammen trainiert. Die kleinere Tochter seiner großen Schwester wurde an diesem Tag getauft. Uns wurde erklärt, dass man entweder als Kind oder als Erwachsener getauft werden kann, in etwa wie in Deutschland. Da wir etwas zu spät von Kigali aus losfuhren, waren wir nicht mehr bei der kirchlichen Zeremonie dabei. Die Fahrt nach Muhanga, der nächstgrößeren Stadt im Süd-Sektor, bekamen wir nur die Klappsitze.

Die typischen kleinen Busse, die durch das ganze Land fahren sind wie folgt aufgebaut: Links gibt es eine Reihe mit Zweiersitzen, rechts gibt es etwas größere einzelne Sitze. Die „Lehne“ der Zweiersitze kann man zu einem Klappsitz aufklappen, so dass noch mehr Personen mit dem Bus transportiert werden können. Geschätzt gibt es ungefähr acht Reihen, also Platz für über 30 Personen.

Zusammen mit James kauften wir die Tickets in Nyabugogo, beim Busbahnhof. Nach einer eineinhalb-stündigen Fahrt wurden wir von der dortigen Endhaltestelle mit dem Auto direkt zum Hotel gefahren, in dem die restliche Zeremonie stattfand.

Der ganze Raum war in weiß und rosa mit Blumen, Girlanden und Luftballons dekoriert. Wir bekamen einen Platz in der ersten Reihe, schräg vor dem Ehrentisch der Familie zugewiesen. Dann wurden einige Reden gehalten, wobei der „Master der Zeremonie“ jeden Redner vorstellte und die Rede betreute. Die meisten davon endeten mit einem Gebet, um die Getaufte noch einmal zu segnen. Allgemein wurde auch nach der Kirche im Hotel viel gebetet. Dabei ist das Beten hier eine Mischung aus Gospel-Gesang und rhythmisches Klatschen und etwas Tanz. Leider verstehen wir nicht so viel Kinyarwanda, weswegen James für uns übersetzte. Trotzdem war es schwierig dem ganzen Ablauf zu folgen, da es für viele Redewendungen und Phrasen keine richtige Übersetzung gibt.

Danach aßen wir Buffet, typisch für Ruanda. Meistens gibt es dort sehr kohlenhydratreiche Nahrung, zum Beispiel viel Reis, Nudeln, Kartoffeln oder Pommes. Zusätzlich wird je nach Anlass und Budget eine mehr oder weniger große Auswahl an Gemüse, Früchten, Salaten und Fleisch serviert.

An diesem Tag wurde neben verschiedenen Fleisch- und Fischsorten sogar eine Pilzsuppe als Vorspeise angeboten. Je länger der Tag wurde, desto betrunkener wurden die Gäste. Denn nicht nur bei der Essensauswahl zeigt sich das Budget, sondern auch bei dem Angebot der Getränke. Da gibt es dann die typischen Biersorten wie Primus, Mützig, Skoll und Amstel, dazu eine Auswahl an Softgetränken wie Fanta Lemon, Fanta orange, Fanta cassis, Cola, Sprite oder Tonic und natürlich auch Wasser. Am liebsten trinke ich hier Fanta Lemon, das schmeckt fast wie selbstgemachte Limonade und viel fruchtiger als Sprite.

Als fast alle Gäste gegangen waren, wurden wir zu dem Haus seiner Schwester gefahren und es gab dort noch einmal ein Omlett zu essen (als hätten wir an dem Tag zu wenig gegessen haha) und wir lernten die ganze Familie besser kennen. Nachts hielt einer der kleinen Busse vor dem Haus der Familie, der uns zurück nach Kigali brachte. Dies war durch connections (Kontakte), die der Familienvater hatte, möglich geworden.

Montag war dann der erste Kontakt mit der Delegation. Die Bildungsministerin Frau Hubig und ein über 20 köpfiges Begleitungsteam aus Lehrern, Mitarbeitern des Ministeriums und sogar einem Schülervertreter von Rheinland-Pfalz, besuchten die Jumelage zu einem gemeinsamen Häppchen-Abend. Empfangen wurden sie von einem Orchester der Root-fondation, die verschiedene Lieder, unter anderem sogar auf deutsch einstudiert hatte. Der Mitbewohner von Franka,Tobias, ist dort Freiwilliger. Es wurde die Europahymne gespielt und außerdem noch ein runadisches und ein tansanisches Lied auf Zuaheli gespielt. Dabei wurde der Chor tatkräftig von den Stimmen der Delegation unterstützt, für die wir vorher extra noch schnell Liedtexte ausgedruckt hatten.

Nach der herzlichen Begrüßung führten wir Freiwillige die Gäste durch die Büroanlage, und je ein Vertreter erzählte etwas über die jeweilige Abteilung. Wir bekamen durchwegs positive Resonanz, auch weil die Delegation so großes Interesse an unserer Arbeit vor Ort zeigte.

Der Abend war dadurch ein voller Erfolg und es konnten neue bzw. tiefere Bindungen aufgebaut werden. Vor allem Prince, der für die TVET Schulen verantwortlich ist, bekam gleich zwei Kontakte, mit denen wir vielleicht in Zukunft zusammenarbeiten werden. Dabei wird es eventuell möglich sein deutsche Berufsschulen, die den Vergleich zu den ruandischen TVET Schulen bilden, miteinander zu verknüpfen und tiefere, fachbezogenere Partnerschaften bilden zu können.

Kurzer Zwischeneinfall: Jetzt werden die Katzenbabys größer und größer und öffnen auch ihre Augen. Vor allem wurden sie aktiver und nutzen die Kiste, die wir ihnen zur Verfügung stellen, immer mehr als ihren eigenen Spielplatz. Dazu kommen die ersten Versuche der Verständigung, das erste Miauen, wenn Susann mal nicht da ist.

In dieser Woche kam auch ein Gast zur Jumelage, der bei unserer Teatime vorbeischaute. Das ist erst einmal nichts besonderes, da unser Büro sehr oft Besuch vor allem von Deutschen in Ruanda bekommt, da es eine Anlaufstelle für sie ist. Doch der Besucher brachte einen echt leckeren Käsekuchen ohne Boden vorbei. Da brauchte ich natürlich gleich das Rezept. Das Besondere, was ich dann erfahren habe: Er macht den Quark für seinen Kuchen selber, und zwar mit Frischmilch, weil es hier keinen Quark zu kaufen gibt. Diese lässt er bei Raumtemperatur für circa drei bis vier Tage stehen und dann einen weiteren Tag abtropfen. So werden aus vier Liter Frischmilch etwa eineinhalb Kilo Speisequark. Noch habe ich das Rezept nicht ausprobiert aber ich freue mich sehr auf diesen Tag.

Donnerstags durften Larissa und ich mit, den Tag der Delegation vorzubereiten. Das heißt dem eigentlichen Programm etwa zwei Stunden voraus zu sein und alles überprüfen. Die letzten Änderungen an den Reden oder Verbesserungsvorschläge aufzuzeigen, Zelte aufbauen oder die Schüler Probe singen lassen.

Der erste Stopp an diesem Tag war eine Schule im Norden. Als wir zu der Schule fuhren, wurden wir so wie die Delegation empfangen, so dass die Schüler eine Art Generalprobe hatten. Sie standen links und rechts vom Weg und sangen und klatschten „Herzlich willkommen“, was Murakaza neza auf Kinyarwanda heißt.

Als die Delegation dort eingetroffen war, eröffnete Frau Hubig dort einen neugebauten Klassenraumkomplex und wurden über das Schulgelände geführt. Danach gab es auf dem Sportplatz verschiedene Reden unterbrochen von traditionellen Tänzen. Am Ende bekam die Schule noch ein Netz mit verschiedenen Bällen geschenkt und die Schüler freuten sich riesig. Weiter ging es noch zum Bürgermeister dieser Region, um sich mit Ihm über die Bildungssituation auszutauschen. Diesen hatten wir noch vor den letzten Überprüfungen an der Schule getroffen, um sicherzugehen, dass alle Vorbereitungen getroffen wurden.

An diesem Tag fuhren wir zu viert im Auto (plus Fahrer). Wir begleiteten Felicite und Salvator, der für einen Monat ein Praktikum bei uns absolvieren wollte. So bekam er den ehemaligen Platz von Jean Marie in der Jumelage, war aber, so wie wir Freiwilligen auch, Springer. Das heißt er half zusätzlich auch noch J.Marie im Jugend- und Sportdepartment.

Auf dem Rückweg im Convoy gab es noch ein paar Zwischenstops, um die atemberaubende Aussicht zu fotografieren. Denn im Norden hat man eine tolle Aussicht auf die Vulkanberge und es gibt schöne Flusstäler, die man von der relativ hoch gelegenen Straße wunderbar sehen kann. Kurz vor Kigali hat man dann auch einen super Ausblick auf die Innenstadt.

Diese Delegation war auch beim Bürgermeister von Kigali eingeladen, damit sie den großen Umbauplan der Stadt kennenlernen konnten. Dabei wird behauptet, dass auf historische Gebäude sehr viel Wert gelegt wird und diese bestehen dürfen. Sonst soll in der Innenstadt mehr Platz für Hochhäuser und Hotels geschaffen werden. Katja, die Cheffin der Jumelage, stellte dann die Frage, warum unser Bürogebäude zerstört werden muss. Denn der Komplex wurde schon unter belgischer Kolonialzeit gebaut und ist dementsprechend mindestens 60 Jahre alt. Für deutsche/ europäische Verhältnisse ist das recht jung, doch für Kigali ist es mit dem Kandt-Haus eines der ältesten Gebäude in der Innenstadt ist.

Diese Frage schaffte es sogar in die Medien, und wer weiß, vielleicht bewirkt es doch etwas.

Aber der Umzug ist eigentlich schon sicher, im Januar wir die ganze Office nach Kicukiro ziehen, in die Nähe der US-amerikanischen Botschaft und anderen wichtigen Büros in die Nähe vom Convention Centre. Dafür werden zur Zeit auch schon recht viele Vorbereitungen getroffen. Dazu gehört unser eingenes Umuganda aber dazu später mehr.

Die letzte Woche war die Regenbogenwoche. Jeden Tag, nachdem ich Arbeitsschluss hatte, gab es mindestens einen zu sehen, der heißt übrigens umukororombya. Ausgesprochen wird Kinyarwanda eigentlich genau so wie es geschrieben wird, es sei denn es gibt Kombinationen wie Nt, Nk, Gwe und viele mehr. Aber das werde ich in einem anderen Blogeintrag einmal genauer erklären.

Als wir am Freitag aus der Office nach Hause gingen, gab es, wie ab jetzt jeden Tag einen Regenbogen.

Am Abend ging ich zusammen mit Sandro joggen. Immer den Berg hoch ging es zum Stadion nach Nyamirambo, circa fünf Kilometer. Obwohl ich seit fast zwei Monaten keinen richtigen Sport mehr gemacht hatte, ging es erstaunlich gut, nur einmal mussten wir Pause machen, da beide Waden gekrampft haben. Nach einer guten halben Stunde bergauf rennen vielleicht verständlich. Am Stadion angekommen trafen wir dann ein paar Spieler aus einem Team von Esperance, welches Sandro betreut. Zusammen mit ihnen absolvierten wir noch einige Kraftübungen und machten unzählbare Treppensprints, bei denen wir immer genau 56 Stufen hochrannten.

Zurück brauchten wir ungefähr nur noch halb so lange, und nach einer erfrischenden eiskalten Dusche (Warmwasser gibt es bei uns nur aus dem Wasserkocher) fuhr ich noch zur Lieblingsbar von Allen. Denn er hatte Besuch von einem ehemaligen Freiwilligen Florian, der vor sechs oder sieben Jahren im Sozial-Department gearbeitet hatte. Mit Franka und einigen Freunden von Allen und alten Freunden von Flo tanzten wir noch sehr lange.

Dieses Wochenende gab es auch eine Warnung vor Starkregenfällen, wieder ein kleiner Einfall meinerseits. Durch die Klimaveränderungen, spielt das Wetter bzw. der Regen hier verrückt. Gerade regnet es zum Beispiel auch wieder und es hört sich an wie Trommeln, die auf unserem Dach gespielt werden. Eigentlich, zumindest noch vor 5 bis 10 Jahren, gab es geregelte Regen- und Trockenzeiten: Von August bis September war eine kleine Regenzeit und dann von Dezember bis März/April eine große Regenzeit. Regenzeit bedeutet, meistens einmal pro Tag für ca. 30 min Weltuntergang mit heftigen Gewittern und sonst immer Sonnenschein.

Doch das hat sich geändert. Seit Ende August regnet es hier mindestens jeden zweiten Tag und meistens nicht nur einmal. So kommt es auch vor, dass es die Nacht durchregnet oder schon am Morgen anfängt. Eigentlich sollte ja mit der ITC- Verschiebung der starke tägliche Schauer erst gegen Nachmittag, wenn genügend Wasser verdampft ist, anregnen. Durch diese verstärkten Regenfälle kommt es immer häufiger zu Erdrutschen, da die bröckelige lose Erde durch kaum Wurzelwerk gehalten wird und auch eine sehr geringe Wasseraufnahmefähigkeit hat. Dadurch fließt das Regenwasser meistens in Strömen oberflächlich ab. Das Problem dabei ist die Bauweise der Häuser: diese bestehen meistens aus Lehmziegeln, die ohne jegliches Fundament zu einem Haus zusammengemauert werden. Dies hat zur Folge, wenn der Hang (von denen gibt es hier zig tausende, heißt ja auch Land der 1000 Hügel) rutscht, rutscht alles mit ihm mit. Anna, eine ASC-Freiwillige der Generation 17/18, die zurzeit für 10 Tage zu Besuch ist, hat erzählt, dass sogar Kimisagara, mein Heimatsektor, stark davon betroffen ist und als sie da war, sogar ein Hang abrutschte und über 100 Häuser zerstörte. Dadurch verlieren die meisten Bewohner ihre Existenzgrundlage, da sie oft kaum Ersparnisse ansammeln können, und ihr Besitz das wertvollste ist. Doch von der Geographiestunde zurück zu meinen Wochenenderlebnissen.

Nach wenigen Stunden Schlaf, waren Larissa und ich dann um 8 Uhr in unseren Ikitenge-Kleidern an der Jumelage, denn es hieß: Francois Hochzeit.

In einem anderen Blogeintrag hatte ich schon einmal davon berichtet, doch das war nur die standesamtliche Hochzeit. Nun waren die traditionelle und kirchliche Hochzeit an der Reihe.

Zu dieser Zeit wusste ich noch nicht, dass die Hochzeit über 14 Stunden dauern sollte und ziemlich kompliziert werden sollte, doch davon mehr.

Ich versuche jetzt einmal grob die Züge des Tages zu schildern, was sicherlich eine große Herausforderung ist, da viel, laut Ruandern „so tief in der Kultur verankert ist“, sodass nicht mal Einheimische es verstehen, geschweige denn übersetzen können. Doch zuerst beginne ich mit der traditionellen Hochzeit.

Von der Jumelage aus ging es zu einem Haus, in dem sich ein Teil der Familie des Bräutigams fertig machte. Der Bräutigam und fünf ausgewählte Männer (Art Trauzeugen) waren ganz in schwarz-weiß gekleidet und hatten schick verzierte Stöcke mit sich. Einer von ihnen war unser Arbeitskollege Oli, der ja das Sozial-department für zwei Monate unterstützt. Die Frauen trugen die typischen ruandischen Dreieckskleider, so mussten wir uns das erste Mal umziehen.

Je nach Farbe des Kleides hatte man verschiedene Aufgaben, bzw. verschiedene Stellungen in der Familienhierarchie. Franka und ich bekamen eine Kombination aus weißem Top und dunkelgrünem Rock, Larissa bekam ein Kaki-farbenes Tshirt mit floralem rosa-lila Rock. Für das bessere Verständnis werde ich auch hier Fotos einfügen. Wir grünen waren Geschenketräger, Larissa saß bei den Schwestern des Bräutigams.

Außerdem lässt sich anmerken, dass die Familienoberhäupter schon an der Location der Hochzeit waren und nicht mit uns zusammen bei diesem Haus waren und sich fertig machten. Nach vielen Vorbereitungen fuhren wir als Familie des Bräutigams zum Ort der traditionellen Zeremonie. Die Familie der Braut hatte die selben Vorbereitungen, diese wurden aber in einem Haus auf dem Hochzeitsgelände getroffen. Francois war super aufgeregt und nachdem jeder an seinem Platz stand liefen wir ein.

Auf dem Gelände war ein großes, mit Lichterketten geschmücktes Zelt. Dieses war in zwei Teile aufgeteilt: Links saß die Familie des Bräutigams, rechts die von der Braut. Dazwischen gab es eine Art roten Teppich, der gleichzeitig auch zum tanzen genutzt wurde. An der Stirnseite des Zeltes befand sich dann ein großer Tisch, an den sich später das Brautpaar plus je ein Trauzeuge/in setzen sollte.

In den ersten Reihen des Zeltes saßen jeweils die wichtigsten Familienmitglieder an einer Tafel, alles nur Männer, circa 8 von jeder Familie. Meistens waren es die erstgeborenen Söhne der Familie, hochrangige Onkel oder Großväter, und natürlich der Familienvater. Die Frauen, inklusive der Mutter des Bräutigams/ der Braut saßen etwas abseits an einem runden Tisch in zweiter Reihe. Das vorerst einmal zur Beschreibung der Location.

Zu dieser Zeit waren wir schon gut zwei Stunden dem eigentlichen Plan hinterher, aber wenn man sich hier an eins gewöhnt ist das African Time. Hier gibt es zwar häufig einen Zeitplan, welcher aber nur als grobe Orientierung gilt und man mindestens zwei Stunden zur eigentlich geplanten Zeit dazurechnen kann.

Jedenfalls liefen wir zum Zelt und bekamen unsere Plätze zugewiesen. Zu meinem Erstaunen saßen die Männer um Francois und er selber in einer der letzten Reihen. Weder die Braut noch Brautbegleitungen waren anwesend.

Danach begann eine wilde Diskussion, natürlich auf Kinyarwanda. In groben Zügen ging es darum, ob er es würdig ist, seine Frau heiraten zu können und ob die Familie der Braut das erlaube. Dabei gab es immer Sticheleien von beiden Seiten. All dies wurde von je einem „Master of ceremony“ von jeder Familienseite ausgetragen. Diese waren nicht einmal Familienmitglieder. Während der ganzen Diskussion wurde viel gelacht. Als ich meine Sitznachbarin fragte, was denn gerade besprochen wird, meinte sie, dass es dafür keine Beschreibung gibt. Das ist wie vorhin schon angedeutet; manche Dinge sind so tief in der Kultur verankert, dass die wenigsten genau verstehen, um was es denn gerade geht.

Das erklärt, warum die Familien professionelle Redner engagiert haben. Denn wenn das Familienoberhaupt bei diesen Diskussionen mal nicht weiß, was die Antwort oder Gegenphrase ist, stellt das die ganze Familie in ein schlechtes Licht. Und das sollte genau am Hochzeitstag nicht passieren, oder?!

Was mir dann erklärt wurde, ist ein Teil, in dem die Familie bzw. der Redner der Familie der Braut behauptete, der Bräutigam wüsste nicht einmal den Namen seiner zukünftigen Frau und könnte ihn auch nicht aussprechen. Deshalb sollte er sie nicht heiraten dürfen, doch nach etlichem hin und her einigten sich die Familien darauf, dass er würdig ist, seine Freundin als Frau zu nehmen. Dabei durfte Francois nie zu Wort kommen, sich verteidigen oder zeigen, dass er sie unbedingt zur Frau haben wolle, er ließ alles schweigend über sich ergehen, in der letzten Reihe.

Nach einer gefühlten Ewigkeit wurden die Fronten dann geklärt und die Braut erschien, in der Begleitung von 5 Frauen (Art Brautjungfern) auch in traditionellem Gewand in rosa. Nach einer weiteren Zeremonie, in der die beiden Familien verbunden wurden, gab es zum Dank Geschenke für die wichtigsten Familienmitglieder beider Familien.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sie sich nur einmal ganz feste umarmt und er steckte ihr einen Ring an den Mittelfinger; sie gab ihm Rosen. Sonst standen sie immer mindestens eine Körperbreite auf Abstand. Das ist auch Teil der ruandischen Kultur. Zwar ist man im Gespräch, verglichen mit Deutschland, sehr berührungsfreudig, aber für private Beziehungen ist das ganz anders. Denn in einer Unterhaltung wird die gegenseitige Aufmerksamkeit nicht durch Blickkontakt, sondern durch Körperkontakt gezeigt. In der Kultur ist zu viel/ zu langer Blickkontakt eher bedrohlich und einschüchternd und zeigt den Wunsch, einen Kampf auszutragen.

Deswegen ist es nichts unnormales zb. zwei Männer händchenhaltend auf der Straße zu sehen, dies zeigt einfach nur gegenseitiges Interesse am Gespräch. Hingegen Händchenhalten unter Paaren ist verpöhnt und Küssen schon gleich mindestens doppelt so ungerne angesehen. Die Beziehung wird in der Kultur ganz privat ausgetragen. Beim feiern sind die Paare dann schon offener, aber mehr als tanzen ist trotzdem sehr selten zu sehen. Doch ich schweife wieder von dem Thema der Hochzeit ab.

Die Geschenke waren sehr typisch kulturell und für die jeweils „eingeheiratete“ Familie bestimmt. Beispielsweise bekam der Familienvater einen Hut und Stock, was symbolisch bedeutet: er ist jetzt ein alter Mann. Die Mutter bekam einen traditionellen Korb (Agaseke) mit Gemüse und weitere verpackte Geschenke wurden verteilt.

Franka und ich mit zwei weiteren Frauen hielten die Mitgifts? bereit und Francois überreichte sie zum Dank jedem Familienmitglied seiner noch-nicht-ganz-Frau. Dabei gab es eine innige Umarmung um Dank. Die ist auch wieder traditionell; dabei wechselt man dreimal die Kopfpostion, ähnlich wie bei Küsschen rechts und links.

Zum Ende der traditionelle Hochzeit gab es Buffet, an dem sich jeder ausgiebig bedienen konnte. Wie schon bei der standesamtlichen Hochzeit, fütterten sie sich gegenseitig mit einigen Bissen und nahmen danach am für sie bestimmten Tisch Platz. Rechts vom Bräutigam saß sein Trauzeuge und links von seiner Braut ihre Trauzeugin.

Nach dem Essen wurden noch unzählige Fotos geschossen, bis die Familie von Francois wieder zurück zum Haus fuhr. Erneutes Umziehen, diesmal wieder in mein Ikitengekleid und der Bräutigam mit seinen Begleitern in feine Anzüge. Wieder zurück zur Location und das Brautpaar fuhr zusammen mit den Trauzeugen (plus Fahrer) zur Kirche und wir hinterher. Sie war, wie es sich gehört, ganz in weißer Spitze gekleidet. Die Brautjungfern trugen grüne Samtkleidern, die Männer passende Anzüge.

An der Kirche angekommen, mussten wir noch etwas warten, da zuvor noch eine Soldatenhochzeit abgehalten werden musste. Die Zeremonie in der Kirche war letztendlich super spannend, wie bei der Taufe auch wurde viel gesungen und geklatscht, wobei wir von einem Gospelchor begleitet wurden. Ich fand es sehr interessant zb. das „Vater unser“ auf Kinyarwanda zu hören, dass mir so ja nur auf Deutsch bekannt ist, ich hoffe aber es irgendwann dieses Jahr auch auf Kinyarwanda zu können.

Nachdem die Ringe ausgetauscht wurden, hob er den Schleier an, und anders als ich es erwartet hatte, anstatt sie zu küssen, gab es eine weitere traditionelle Umarmung. Ganz zum Schluss der Zeremonie gab es dann doch ein Küsschen. Danach standen beide mit einem Agaseke Korb vorne, und jeder spendete etwas Geld für die neu gegründete Familie.

Weitere Fotosessions später fuhren wir wieder zurück zur Location, inzwischen war es schon dunkel geworden, und nach weiteren traditionellen Teilen und Reden fand eine weitere Geschenkeübergabe statt. Inzwischen waren auch weitere Mitarbeiter des Büros eingetroffen. Wir als Team der Jumelage hatten auch etwas für ihn gesammelt und das Paar, insbesondere Francois, freute sich riesig.

Dann zum Abschluss gab es eine riesige Torte. Um kurz nach 10 Uhr abends war dann die Hochzeit für uns vorbei, weil wir nach Hause fuhren, die eigentliche Party ging aber noch weitaus länger.

Den Sonntag verbrachten wir, nach dem anstrengenden Samstag, ruhig zu Hause. Von One Team, einer gemeinnützigen Organisation, wurden wir auf ein Handballturnier eingeladen. Obwohl ich nach ruandischer Zeit zwei Stunden nach Beginn zum Sportplatz in Kimisagara (Ja, das Event war tatsächlich fast vor unserer Haustür) ging, war noch kaum jemand da. Trotzdem lernte ich einen anderen Freiwilligen namens Max kennen, der eines der Handballteams betreute.

Deshalb ging ich noch einmal nach Hause und Anna, von der ich oben schon etwas erzählt hatte, besuchte uns das erste Mal. Sie wohnt für die 10 Tage bei Janvier, einem Arbeitskollegen. Zusammen mit ihr gingen wir später dann noch einmal zum Sportplatz. Sie hatte damals ihr eigenes Projekt, das Kunstradfahren etabliert. Durch ihre Kontakte kam ich auch in Berührung mit einer Tanzgruppe und Hobby-inliner Fahren. Leider findet das alles vormittags statt, doch ich werde mal mit Katja reden, ob ich nicht trotzdem daran teilnehmen kann.

Auch unterhielten wir uns ziemlich lange mit dem Projektleiter von One Team und gaben ihm am Ende noch Tipps für gute ruandische Restaurants. Wir schauten dann nicht nur ein Handballspiel, sondern auch ein Fußballspiel an, indem Maxi und Sandro auch mitkickten.

Die Arbeitswoche verlief soweit wie jede andere auch, relativ uninteressant, da ich wieder mit den TVET Berichten beschäftigt war. Zusätzlich organisierte ich einen Rhineland-palatinate day, einen Rheinland-Pfalz Tag, der am Samstag stattfinden sollte.

Mittwochs waren wir wieder in der Lieblingsbar von Allen, da wir Flo verabschiedeten und zum Flughafen brachten. Davor gab er uns noch eine Menge schöner Reiseziele in Ruanda.

Freitags war dann Umuganda. Ja, eigentlich ist das der letzte Samstag im Monat. Da aber der Umzug bevorsteht und viele Ordner gepackt werden müssen, gibt es bis Dezember jeden Freitag für ein Department Umuganda - speziell in der Jumelage. Da werden alte Ordner aussortiert und der Rest in Kartons gepackt. An diesem Tag war das Construction-Büro geplant. Ich half mit, dutzende Ordner in Kartons zu verpacken. Später waren wir daran, das aussortierte Material zu vernichten. Da es hier keinen Schredder oder Ähnliches gibt, werden die Papiere einzeln mit der Hand zerrissen. Dabei fanden wir Projektanträge von 1994, teilweise noch handschriftlich oder mit der Schreibmaschine getippt, und alles auf Französisch. Ich fand es unglaublich interessant und Jean Claude unser Senior-stuff, der die meisten dieser Anträge unterschrieben hatte und die Projekte miterlebt hatte, konnte sich noch gut an alles erinnern. Auf einem Foto von 1995 fand eine Grundsteinlegung für ein Kriegswaisenheim statt und zu meinem großen Erstaunen kannte er fast alle Personen auf dem Foto. Unglaublich, wie prägend manche Erlebnisse doch sind.

Außerdem gab es Freitag ein Barbecue. Es wurde Broschette und Hühnchen gegrillt und es gab eine Auswahl an Salaten und Grillkartoffeln, wie auch Grillbanane. Dies wurde ins Leben gerufen als kleines Dankeschön für die große Unterstützung während den beiden Delegationen. Francois war zudem aus seinem Honeymoon-Urlaub zurück. Er erzählte, dass es hier nicht möglich ist, vor der Hochzeit mit seiner Freundin zusammenzuleben. Weiter muss er die Familie seiner Freundin um Erlaubnis bitten, sie heiraten zu dürfen. Und es ist, zumindest laut Francois, üblich, bis zur Hochzeit Jungfrau zu bleiben. So etwas nach dem Motto: sehr streng religiös.

Während dem Essen tauschte ich mich mit Janvier, Prince und Anna über Stereotypen in ruandischer Kultur aus.

Es folgt eine kleine Expertise:

Trinkst du Fanta Orange, bist du Jungfrau;

Verschüttest oder zerstörst du Gläser/ Teller etc., brauchst du einen Mann/Frau;

Hast du als Frau einen Bart, isst du viel Ziegenfleisch;

Redest du nur wirres Zeug bist du Vegetarier (Fleisch macht schlau ;))

Auch war Freitag der letzte Arbeitstag von Salvator, in Zukunft werden seine Aufgaben wieder auf Larissa und mich übertragen, was zusätzliche Arbeit bedeutet.

Gestern dann war Rheinland-Pfalz Tag. Dieser wurde an 7 Partnerschulen ausgeführt und soll in etwa dem Ruanda Tag in Trier entsprechen. Folgendes Programm hatten ich (mit Unterstützung von J.Marie) mit den Schulen zusammen geplant: Morgens rannten die Schüler 6000 Km, die ungefähre Distanz von Kigali nach Berlin (Luftlinie). Danach fanden kleine Sportspiele zwischen den Schulen statt um zuletzt das Fußballteam der Jumelage gegen das der Lehrer spielen zu lassen und mit einem gemeinsamen Mittagessen abzuschließen.

Gesagt, Getan. Um 8 trafen wir uns an der Jumelage. Da das Büro kein vollständiges Fußballteam bilden konnte, organisierte ich noch andere Freiwillige. Dann fuhren wir mit drei Autos in den Norden. Mit dabei war Franz, der die Jumelage offiziell, und als einziger in Anzug vertrat (Sogar der Priester kam in Jogginganzug). Der Rest von unserem Team zog sich um, denn wir hatten extra Trikots anfertigen lassen, sogar mit Logo.

Nachdem wir etwas den Spielen zugeschaut hatten, spielten wir ca. zweimal 20 Minuten gegen das Lehrerteam und gewannen 2:0. Das war aber fast ein Wunder, der Platz war nämlich besonders. Wüste auf der linken Längsseite, Sumpf auf der rechten, dazwischen eine einzige Hügellandschaft. Aber das ist schon ein guter Platz. Meistens gibt es nur eine Wiese (wahlweise auch Wüste, Sumpf oder eine Mischung) voller Steine und Löcher, was zum Spielen ziemlich gefährlich ist, da man sehr leicht umknicken kann. Trotzdem war es ein großartiges Event und hat sehr viel Spaß gemacht.

Es folgten Dankesreden und ich hielt auch eine kleine Rede, in der ich etwas zur Partnerschaft zwischen Rheinland-Pfalz und Ruanda, anlässlich des Rheinland-Pfalz Tages erzählte. Zum Abschluss gab es wieder eine Art Buffet und einen schönen Sonnenbrand. Obwohl ich extra an Sonnencreme gedacht hatte, habe ich eine kleine Stelle zwischen den Schlüsselbeinen vergessen, die nun schön rot leuchtet. Doch die starke Sonneneinstrahlung merkte ich nicht nur daran, sondern auch an ziemlich starken Kopfschmerzen als wir wieder zu Hause waren: ein toller Sonnenstich.

Abends trafen wir uns noch mit vielen Freiwilligen und machten eine kleine Homeparty. Danach wanderten wir durch verschiedene Clubs, bis ich gegen 3 Uhr mit Larissa nach Hause fuhr. Als ich heute um 8 Uhr wach wurde, kam Maxi gerade nach Hause; irgendwie witzig und alle schlafen noch. Dementsprechend bin ich ziemlich müde, habe aber das Wohnzimmer für mich alleine und genieße das Geräusch des Regens. Wenn es aufhört zu regnen, werde ich einkaufen gehen und etwas die Wohnung aufräumen, die sieht nämlich mal wieder ziemlich chaotisch von dem Abend aus.

Im nächsten Blogeintrag werde ich dann über das große Event „Sports 4 peace“ berichten und lasst euch überraschen, was noch kommen wird. Bis dahin sage ich mal wieder tschüss und es hat mich gefreut, wenn ihr es bis hierhin durchgehalten habt; ich versuche den nächsten Eintrag auch wieder etwas kürzer zu halten :)

43 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

(18) Corona - und was nun?

Ihr wollt alle sicherlich auf den neusten Stand kommen (der jetzt auch nicht mehr so neu ist ups) und deswegen folgt dieser Blogeintrag später als geplant, aber besser später als nie. Montag, nachdem

(17) Backen in der Office und nachträglicher Geburtstag

Nach einer langen Wartezeit schreibe ich wieder etwas für meinen Blog. Ihr seid wieder live dabei, was ich die letzten 2 Wochen so erlebt habe. Am Montag waren wir bei Hidaya aus der Jumelage zum Esse

(16) Geburtstag in Ruanda und erstes S4P Follow-up

Es ist wieder Zeit für einen neuen Blogeintrag. Die nächsten Tage nach dem letzten Blogeintrag hatten wir Besuch von Ingo und Tobi, und Sevda vom DOSB (Deutscher Olympischer Sport Bund). Wir zeigten i

bottom of page